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Reggio-Pädagogik: Wenn Kinder zu Forschern werden und ihre Welt selbst entdecken

Reggio-Pädagogik
© Thinkstock, iStock

Kinder entscheiden selbst, was sie lernen möchten und werden dabei von Erwachsenen begleitet statt angeleitet – das ist der Kern der Reggio-Pädagogik. Diese faszinierende Erziehungsphilosophie aus Italien setzt auf die natürliche Neugier und Kreativität der Kleinen und schafft Räume, in denen sie ihre eigenen Ideen entwickeln und umsetzen können.

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Was ist Reggio-Pädagogik?

Die Reggio-Pädagogik ist für viele Eltern eine spannende Alternative zu klassischen Erziehungskonzepten. Anders als bei der bekannteren Montessori-Pädagogik steht hier nicht das strukturierte Lernmaterial im Mittelpunkt, sondern die Projekte und Ideen, die die Kinder selbst entwickeln. Dabei werden sie von Erziehern begleitet, die ihnen Raum für eigene Entdeckungen geben, statt fertige Lösungen zu präsentieren. Diese Herangehensweise fördert nicht nur die Kreativität und Selbstständigkeit, sondern auch das Selbstvertrauen der Kinder – Eigenschaften, die im späteren Leben von unschätzbarem Wert sind.

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Die Grundprinzipien der Reggio-Pädagogik im Überblick

Prinzip

Bedeutung

Kind als Forscher

Kinder bestimmen durch ihre Neugier und Kreativität ihre eigene Entwicklung

Projektarbeit

Themen entstehen aus den Interessen der Kinder, nicht aus festen Lehrplänen

Dokumentation

Lernprozesse werden durch Fotos, Plakate und Mappen festgehalten

Raum als "dritter Erzieher"

Die Umgebung ist bewusst gestaltet, um Kreativität und Forscherdrang zu fördern

Gemeinschaft

Kindergarten ist Teil der Gesellschaft, Eltern sind aktiv eingebunden

Hundert Sprachen

Kinder drücken sich auf vielfältige Weise aus (Malen, Bauen, Tanzen, etc.)

Die Entstehung der Reggio-Pädagogik: Eine Philosophie mit Geschichte

Die Reggio-Pädagogik entstand nach dem Zweiten Weltkrieg in der norditalienischen Stadt Reggio Emilia. Sie ist keine starre Methode, sondern eine lebendige Erziehungsphilosophie, die sich stetig weiterentwickelt.

Kinder durch Experimente die Welt für sich entdecken zu lassen, ihnen keine fertigen Lösungen zu servieren, das ist Reggio-Pädagogik. Pflichtprogramme gibt es hier ebenso wenig wie eintönige Schablonen-Kunstwerke. Zur Reggio-Philosophie gehört es, jedes Kind seine eigene Ausdrucksform finden zu lassen und ihm die Materialien dafür bereitzustellen. Reggio-Kinder dürfen – und müssen – selbst entscheiden, was sie machen möchten. "Sicher gebe es mal Langeweile", sagt Eleonore Zenthoefer, Leiterin der 'casa fantasia', einem Kindergarten der Fröbel-Gruppe in Berlin-Mitte und einer der wenigen zertifizierten Reggio-Kindergärten in Deutschland. "Aber das ist selten. Kindern fällt eine Menge ein, wenn sie sich selbst darüber Gedanken machen, was sie wissen wollen." Oft wird ein Projekt daraus. Auch das ist Reggio-Pädagogik.

Diese Philosophie hat sich inzwischen weltweit verbreitet und begeistert Eltern und Pädagog*innen mit ihrem respektvollen Blick auf Kinder. In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Kindergärten, die nach den Reggio-Prinzipien arbeiten, auch wenn nur wenige offiziell zertifiziert sind.

Das Kind als Forscher: Selbstbestimmtes Lernen im Reggio-Alltag

In der Reggio-Pädagogik dürfen – und müssen – Kinder selbst entscheiden, womit sie sich beschäftigen möchten. Ob sie den Schnee erforschen, sich mit afrikanischer Musik auseinandersetzen oder dem Winterschlaf der Igel auf den Grund gehen – die Themen entstehen aus der Neugier der Kinder selbst.

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Dabei geht es nicht darum, Lehrbuchfakten zu vermitteln, sondern die eigenen Beobachtungen und Gedanken der Kinder ernst zu nehmen. Wie klingt etwas? Wie fühlt es sich an? Warum ist etwas so und nicht anders? Die Antworten der Kinder sind oft überraschend philosophisch und zeigen, wie tiefgründig sie ihre Welt wahrnehmen.

Freiheit mit Regeln: So funktioniert das Zusammenleben

Entscheidungsfreiheit bedeutet in der Reggio-Pädagogik nicht, dass es keine Regeln gibt. "Da wir eine Gemeinschaft sind, legen wir sie aber gemeinsam fest", betont Zenthoefer. In regelmäßigen Gesprächskreisen üben die Kinder, zuzuhören und ihre Wünsche zu artikulieren. Sie lernen, dass Freiheit und Verantwortung zusammengehören.

Diese demokratische Herangehensweise hat einen entscheidenden Vorteil: "Selbst aufgestellte Regeln werden viel eher eingehalten", erklärt die Pädagogin. Statt den Kindern vorzuschreiben, wie etwas zu tun ist, ermutigen die Erzieher sie, eigene Lösungen zu finden. Diese selbst erarbeiteten Erkenntnisse prägen sich tiefer ein als vorgegebene Antworten.

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Einblick in einen Reggio-Kindergarten: Räume, die zum Entdecken einladen

In einem Reggio-Kindergarten sind die Räume bewusst gestaltet, um die Kreativität und den Forscherdrang der Kinder zu fördern. Warme Farben und natürliche Materialien wecken die Bau- und Experimentierlust. Fertige Spielsachen gibt es kaum, stattdessen flexible Materialien, die vielseitig einsetzbar sind.

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Ein Beispiel aus dem Berliner Reggio-Kindergarten "casa fantasia": Der Maltisch besteht aus einer großen Platte, die auf flache Stapelboxen gelegt wird. Ist Toben angesagt, kommt die Platte an die Wand und die Boxen werden zu Turngeräten. Diese Flexibilität ist typisch für die Reggio-Pädagogik und ermöglicht es den Kindern, ihre Umgebung nach ihren Bedürfnissen mitzugestalten.

Die "sprechenden Wände": Dokumentation als Schlüsselelement

Ein besonderes Merkmal der Reggio-Pädagogik sind die "sprechenden Wände". Überall im Kindergarten hängen Plakate, digitale Bilderrahmen und Projektmappen, die das Kindergartenleben und die Forschungsergebnisse der Kinder dokumentieren. Diese Dokumentation erfüllt mehrere Zwecke: Sie macht die Lernprozesse für die Kinder selbst sichtbar, informiert die Eltern über aktuelle Projekte und würdigt die Arbeit der Kleinen.

Durch diese Form der Wertschätzung erleben die Kinder, dass ihre Ideen und Entdeckungen wichtig sind. Sie können ihre eigenen Lernwege nachvollziehen und darüber reflektieren – eine Fähigkeit, die ihnen auch später beim selbstständigen Lernen helfen wird.

INFO-BOX: Reggio-Pädagogik entdecken

Weiterführende Literatur:
"Einführung in die Reggio-Pädagogik: Kinder, Erzieherinnen und Eltern als konstitutives Sozialaggregat" von Sabine Lingenauber

Reggio-inspirierte Materialien für zu Hause:
Lichttisch für Experimente mit Transparenz und Farben, Naturmaterialien zum Sortieren und Gestalten, Lose Teile wie Holzscheiben, Steine oder Muscheln statt fertiges Spielzeug

Reggio-Kindergärten in Deutschland:
Dialog Reggio (Netzwerk): www.dialog-reggio.de
Fröbel-Gruppe (betreibt u.a. zertifizierte Reggio-Kindergärten): www.froebel-gruppe.de

Reggio-Pädagogik – ein Konzept mit Zukunft

Die Reggio-Pädagogik bietet mit ihrem Fokus auf Selbstbestimmung, Kreativität und forschendem Lernen einen wertvollen Ansatz für die frühkindliche Bildung. Sie bereitet Kinder nicht nur auf die Schule vor, sondern auf das Leben in einer komplexen Welt, in der eigenständiges Denken und Problemlösen gefragt sind.

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Besonders beeindruckend ist der respektvolle Umgang mit den Kindern, die als kompetente Menschen mit eigenen Ideen und Theorien ernst genommen werden. Dieser wertschätzende Blick stärkt ihr Selbstbewusstsein und ihre Freude am Lernen – eine solide Basis für lebenslanges Entdecken und Wachsen.

Wenn du nach einem Erziehungskonzept suchst, das die Individualität deines Kindes in den Mittelpunkt stellt und seine natürliche Neugier fördert, lohnt es sich, die Reggio-Pädagogik näher kennenzulernen. Vielleicht entdeckst du dabei auch für dich selbst einen neuen Blick auf das Lernen und die wunderbare Kompetenz von Kindern.

Wen ihr mehr über andere Kita-Konzepte erfahren wollt, hat meine Kollegin Jennifer Kober euch hier Infos über die 9 beliebtesten Kindergarten-Modelle zusammengefasst.

Quellen: www.froebel-gruppe.de, Dialog Reggio, reggiobildung.at, Kita-Fachtexte: Reggio-Pädagogik von Tassilo Knauf